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Sandor FERENCZI

Zur Ontogenese der Symbole

Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse (1913)

Online seit: Samstag 24. Dezember 2005

Die Bemerkungen Dr. Beaurain [1] über die Wege, auf denen das Kind zur Bildung der ersten Allgemeinbegriffe gelangt, kann jeder, der die geistige Entwicklung des Kindes unmittelbar oder durch Vermittlung der Eltern mit psychologisch geschärftem Blick zu verfolgen Gelegenheit hat, vollauf bestätigen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Kind (wie das Unbewußte) zwei Dinge auf Grund der geringsten Ähnlichkeit identifiziert, Affekte vom einen auf das andere mit Leichtigkeit verschiebt und beide mit demselben Namen belegt. Ein solcher Name ist also der hochverdichtete Repräsentant einer großen Anzahl von grundverschiedenen, aber irgendwie (wenn auch noch so entfernt) ähnlichen und daher identifizierten Einzeldingen. Die Progression in der Realitätserkenntnis (der Intelligenz) äußert sich dann beim Kinde in der fortschreitenden Auflösung solcher Verdichtungsprodukte in ihre Elemente im Erlernen der Unterscheidung der in einer Hinsicht ähnlichen, aber sonst verschiedenen Dinge von einander. Diesen Vorgang haben schon viele richtig erfaßt und beschrieben; die diesbezüglichen Mitteilungen Silberers und Beaurains brachten dazu weitere Bestätigungen und vertieften die Einsicht in die Einzelheiten dieses geistigen Entwicklungsprozesses.

Beide Autoren sehen in der infantilen Unzulänglichkeit des Unterscheidungsvermögens die Hauptbedingung für das Zustandekommen der onto- und phylogenetischen Vorstufen der Erkenntnisvorgänge.

Einen Einwand möchte ich hier nur gegen die Benennung aller dieser Erkenntnis-Vorstufen mit dem Worte ›Symbol‹ erheben; auch Gleichnisse, Allegorien, Metaphern, Anspielungen, Parabeln, Embleme, indirekte Darstellungen jeder Art können im gewissen Sinne als Produkte solcher unscharfer Distinktionen und Definitionen aufgefaßt werden und doch sind sie - in psychoanalytischem Sinne - keine Symbole. Symbole im Sinne der Psychoanalyse sind nur solche Dinge (resp. Vorstellungen), denen im Bewußten eine logisch unerklärliche und unbegründete Affektbesetzung zukommt und von denen analytisch festzustellen ist, daß sie diese affektive Überbetonung der unbewußten Identifizierung mit einem anderen Dinge (Vorstellung) verdanken, dem jener Affektüberschuß eigentlich angehört. Nicht alle Gleichnisse sind also Symbole, sondern nur jene, bei denen das eine Glied der Äquation ins Unbewußte verdrängt ist. [2] In demselben Sinne fassen Rank und Sachs das Symbol auf [3]: »Wir verstehen darunter«, heißt es bei ihnen, »eine besondere Art der indirekten Darstellung, die durch gewisse Eigentümlichkeiten vor den ihr nahestehenden des Gleichnisses, der Metapher, der Allegorie, der Anspielung und anderer Formen der bildlichen Darstellung von Gedankenmaterial (nach Art des Rebus) ausgezeichnet ist«, »es ist ein stellvertretender anschaulicher Ersatzausdruck für etwas Verborgenes.«

Nach alledem ist es vorsichtiger, die Entstehungsbedingungen des Symbols nicht ohne weiteres mit denen der Gleichnisbildung überhaupt gleichsetzen zu wollen, sondern für diese spezifische Art der Gleichnisbildung spezifische Entstehungsbedingungen vorauszusetzen und darnach zu forschen.

Die analytische Erfahrung zeigt uns nun in der Tat, daß, obzwar auch bei der Bildung wirklicher Symbole die Bedingung der intellektuellen Insuffizienz erfüllt sein muß, die Hauptbedingungen zu ihrem Zustandekommen nicht intellektueller, sondern affektiver Natur sind. Ich will das an einzelnen, z. T. schon anderwärts mitgeteilten Beispielen aus der Sexualsymbolik zeigen.

Die Kinder kümmern sich ursprünglich, solange sie die Not des Lebens nicht zur Anpassung und damit zur Wirklichkeitserkenntnis zwingt, nur um die Befriedigung ihrer Triebe, d. h. um die Körperstellen, an denen diese Befriedigung stattfindet, um die Objekte, die diese hervorzurufen geeignet sind, und um die Handlungen, die diese Befriedigung tatsächlich hervorrufen. Von den sexuell erregbaren Körperstellen (erogenen Zonen) z. B. interessiert sie der Mund, der After und das Genitale ganz besonders. »Was Wunder, wenn auch ihre Aufmerksamkeit in erster Linie durch solche Dinge und Vorgänge der Außenwelt erregt wird, die auf Grund einer noch so entfernten Ähnlichkeit an die ihnen liebsten Erlebnisse erinnern.« [4] So kommt es zur ›Sexualisierung des Alls‹. In diesem Stadium benennen kleine Knaben alle länglichen Gegenstände gerne mit der kindlichen Bezeichnung ihres Genitalorgans, in jedem Loch sehen sie einen Anus, in jeder Flüssigkeit Harn und in jedem halbweichen Stoff Kot.

Ein etwa anderthalbjähriger Knabe sagte, als man ihm zum erstenmal den Donaustrom zeigte: »Wie viel Speichel!« Ein zweijähriger Junge nannte alles, was sich öffnen läßt, eine Türe, u. a. auch die Beine seiner Eltern, da er auch diese öffnen und schließen (ab- und adduzieren) konnte.

Eine ähnliche Gleichsetzung erfolgt auch innerhalb der Körperorgane: Penis und Zahn, After und Mund werden gleichgesetzt; vielleicht findet das Kind für jeden affektiv wichtigen Teil der unteren Körperhälfte ein Äquivalent an der oberen (besonders an Kopf und Gesicht).

Diese Gleichsetzung ist aber noch nicht Symbolik. Erst von dem Moment an, wo infolge der kulturellen Erziehung das eine (u. zw. das wichtigere) Glied des Gleichnisses verdrängt wird, gelangt das andere (früher unwichtigere) Glied zur affektiven ›Überbedeutung‹ und wird ein Symbol des Verdrängten. Ursprünglich wurden Penis und Baum, Penis und Kirchturm bewußterweise gleichgestellt; aber erst mit der Verdrängung des Interesses für den Penis erlangten Baum und Kirchturm die - unerklärliche und scheinbar unbegründete - Interessebetonung; sie wurden zu Penissymbolen. 
So wurden auch die Augen Symbole von Genitalien, mit denen sie früher einmal - auf Grund äußerlicher Ähnlichkeit - identifiziert gewesen sind; so kommt es zur symbolischen Überbetonung der oberen Körperhälfte überhaupt, nachdem das Interesse für die untere verdrängt wurde, und so dürften überhaupt alle Genitalsymbole (Krawatte, Schlange, Zahnreißen, Schachtel, Stiege usw.), die in den Träumen einen so breiten Raum einnehmen, ontogenetisch zustande gekommen sein. Es würde mich auch nicht wundern, wenn in einem Traum des eben erwähnten Knaben die Tür als Symbol des elterlichen Schoßes wiederkehrte und in dem des anderen der Donaustrom als Symbol von Körperflüssigkeiten.

Mit diesen Beispielen wollte ich auf die überwiegende Bedeutung affektiver Momente beim Zustandekommen echter Symbole hinweisen. Diese müssen in erster Linie berücksichtigt werden, wenn man sie von anderen psychischen Produkten (Metaphern, Gleichnissen usw.), die gleichfalls Verdichtungsleistungen sind, unterscheiden will. Die einseitige Berücksichtigung formaler und rationeller Bedingungen bei der Erklärung psychischer Vorgänge kann leicht in die Irre führen.

Man war z. B. früher geneigt zu glauben, daß man Dinge verwechselt, weil sie ähnlich sind; heute wissen wir, daß man ein Ding mit einem anderen nur verwechselt, weil gewisse Motive dazu vorhanden sind; die Ähnlichkeit schafft nur die Gelegenheit zur Betätigung jener Motive. Ebenso muß man sagen, daß die apperzeptive Insuffizienz allein, ohne Berücksichtigung der zur Gleichnisbildung treibenden Motive, die Bildung der Symbole nicht zureichend erklärt.

P.S.

Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse (Internationaler Psychoanaytischer Verlag, Vienne), 1913 (I, 436-38) B., I, 101.

Anmerkungen

[1»Über das Symbol und die psychischen Bedingungen für sein Entstehen beim Kinde«, 1913.

[2Siehe dazu meine diesbezügl. Bemerkungen in früheren Aufsätzen: »Die Onanie«, »Zur Augensymbolik«, »Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes«. Siehe auch mein Referat über Jungs Libidoarbeit (»Kritik der Jungschen ’Wandlungen und Symbole der Libido«).

[3Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Geisteswissenschaften, S. 11 ff.

[4›Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes‹.

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